Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus
Wiesbaden – Die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus fand heute im Hessischen Landtag statt. Thematisch stand in diesem Jahr die Verfolgung Homosexueller im Mittelpunkt.
Der Präsident des Hessischen Landtags, Boris Rhein, begrüßte zum Beginn seiner Rede die zahlreichen Gäste zu der Gedenkveranstaltung. „Die Verfolgung Homosexueller unter allen Opfern in der Zeit des Nationalsozialismus wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Es ist aber klar, alle Opfer sind Opfer, egal welchen Glaubens, welcher Herkunft oder sexuellen Orientierung“, so der Landtagspräsident.
„Wir leben in einer freien Welt und einer modernen Gesellschaft, aber auch heute noch werden Homosexuelle wegen ihrer Sexualität diskriminiert. Diskriminierung ist häufig aber nur der Anfang und dem müssen wir uns alle entgegenstellen“, forderte Rhein.
Gerade in Zeiten des besorgniserregenden Erstarkens nationalistischer Gesinnungen und zunehmender gesellschaftlicher Intoleranz sei die Erinnerung an die Opfer und unmenschlichen Verbrechen unverzichtbar für unsere Demokratie. „Freiheit und Demokratie brauchen Erinnerung. Freiheit und Demokratie brauchen Einsatz, Engagement und Mut!“, so Landtagspräsident Rhein abschließend.
„Als am 27. Januar 1945, also vor genau 75 Jahren, die ersten Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erreichten und die dort verbliebenen Häftlinge befreiten, stießen sie auf Spuren von unglaublichen Verbrechen und des millionenfachen Mordes. Dieser Tage erfahren wir viel über diese Zeit durch Berichte von Zeitzeugen, die es für uns greifbar, aber nicht wirklich begreifbar machen. Der heutige Gedenktag muss uns ins Gedächtnis rufen, dass der Nationalsozialismus kein Moment unter vielen in der Geschichte sein darf. Das vergangene Jahr hat uns in Deutschland und auch in Hessen auf tragische Weise verdeutlicht, dass rechtsextremes Gedankengut zu grauenvollen Taten führen kann, auch heute noch. Wachsamkeit ist gefordert. Diese entsteht auch durch öffentliches Gedenken, die Auseinandersetzung mit den Taten und die Weitergabe an nachfolgende Generationen. Das Fritz-Bauer-Institut, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, leistet hierfür in Hessen einen herausragenden Beitrag für die gesamte Republik. Unser Verhältnis zur Geschichte der NS-Diktatur ist heute – auch durch die Arbeit des Instituts – ehrlicher geworden. Für diesen Verdienst hat es meinen großen Respekt“, sagte der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.
Die Gedenkrede hielt Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. „Die Lebenssituation der Homosexuellen in der NS-Zeit und danach ist ein Thema, mit dem sich über Jahrzehnte hinweg weder die Öffentlichkeit noch die Zeitgeschichtsforschung in Deutschland befasst haben. Bis Ende der sechziger Jahre wurden Homosexuelle in der Bundesrepublik weiterhin strafrechtlich verfolgt, was vielen das Gefühl gab, es habe sich seit dem ‚Dritten Reich‘ für sie nichts verändert. Unter den Zeitzeugen – für uns seit Jahrzehnten ja eine wichtige Instanz der Vermittlung der Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik – sind kaum Angehörige dieser Opfergruppe, denn angesichts ihrer fortdauernden Kriminalisierung wollten sie über ihre Erfahrungen keine Auskunft geben“, sagte Steinbacher.
Information:
Die Gedenkveranstaltung geht zurück auf eine Empfehlung des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, der 1996 angeregt hatte, am 27. Januar eines Jahres in besonderen Veranstaltungen der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Im Jahr 2005 wurde dieser Tag zudem durch die Vereinten Nationen als „Internationaler Gedenktag für die Opfer des Holocaust“ bestimmt.
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