Mietpreise: Im abschüssigen Gelände darf man sich nicht mit zaghaftem Bremsen begnügen!
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Wiesbaden gleicht mehr und mehr einem abschüssigen Gelände, an dessen Ende immer mehr Mieterinnen und Mieter in einen Abgrund zu stürzen drohen.
Die Initiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ (GhV) und der DGB Wiesbaden Rheingau-Taunus finden es insofern ermutigend, dass die Aufsichtsräte der städtischen Wohnungsgesellschaften GWW und GeWeGe Mitte September fast einstimmig echte Handlungsbereitschaft signalisiert haben und sich nicht länger mit wohlfeilen Worten begnügen wollen.
Die zuständigen Ausschüsse und die Stadtverordnetenversammlung müssten aber nach unserer Auffassung kräftig nachbessern, damit eine Mietpreisbremse Wirklichkeit wird, die in höchst abschüssigem Gelände auch wirklich greift.
Sascha Schmidt (Vorsitzender DGB Wiesbaden Rheingau-Taunus): „Gut und richtig ist, dass ein mit Zahlen bestücktes, konkretes Modell der Mietendeckelung vorgelegt wird. Nun kann man endlich über das richtige Wie streiten. Positiv ist auch, dass die Gewinnabführungen an die Stadt verringert werden sollen, um den Wohnungsunternehmen in Zeiten großer Herausforderungen notwendige Handlungsspielräume zu eröffnen. Aber: Die vorgesehene Mietpreisbremse ist erheblich zu schwach und mit 3 Jahren Laufzeit viel zu kurz, um im besagt abschüssigen Gelände die notwendige Wirkung zu entfalten.“
GWW/GeWeGe haben 2017 einen Gewinn von 13,2 Mio. und 2018 von 17,1 Mio. Euro verbucht. Die GWW und ihre Schwestergesellschaft GeWeGe verfügen in Wiesbaden über mehr als 13.000 Wohnungen.
Geht es nach dem Willen der Aufsichtsräte, dann würden ca. 9.000 frei finanzierte Wohnungen von folgender Festsetzung maximal zulässiger Mieterhöhungen erfasst:
- Bei ca. 2.700 Wohnungen (Neubauten ab Baujahr 2000 und vollsanierte) sowie bei ca. 750 preiswerten Altwohnungen würde eine Mietsteigerung von 10 % in 3 Jahren erlaubt.
- Bei den restlichen ca. 5.700 Wohnungen ist eine Mietsteigerung von 5 % in 3 Jahren veranschlagt.
Im Klartext: Die gesetzlich vorgegebene Kappungsgrenze für Preisaufschläge wird nur soweit begrenzt, dass den städtischen Wohnungsgesellschaften immer noch ein erheblicher Gewinn-Zuwachs bleibt.
Hans-Georg Heinscher (GhV): „Das ist zu viel des Guten für GWW/GeWeGe und zu viel des Schlechten für MieterInnen und Wohnungssuchende. Vordringliche Aufgabe der Stadt ist es nicht, die Aussichten unserer Wohnungsgesellschaften aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen auf weitere Gewinn-Zuwächse fortzuschreiben, sondern der Mietpreisexplosion energisch Einhalt zu gebieten.“.
Es mag aus Sicht der wohnungspolitisch Verantwortlichen der Stadt noch angehen, die gute Ertragslage der städtischen Wohnungsgesellschaften auf gleichem Niveau wie in den Vorjahren zu halten, ja, sie durch eine Minderung der Gewinn-Abführung an die Stadt weiter zu stärken. Dass die Stadt in Zeiten eines ausgeglichen Mietmarktes die Überschüsse aus dem Mietgeschäft nach Kräften nutzt, um andere Aufgaben quer zu finanzieren, macht Sinn. In Zeiten der Mietpreisexplosion macht es hingegen keinen Sinn, sondern wirkt völlig kontraproduktiv. Die üppigen Mietpreissteigerungen, die man den großen Marktteilnehmern GWW/GeWeGe auch in Zukunft zugestehen will, würden das allgemeine Mietpreisniveau in neue Höhen treiben – der Mietpreisspiegel der Zukunft wäre noch mehr zu fürchten als der von heute.
GhV und DGB Wiesbaden-Rheingau-Taunus halten an ihrer Forderung nach einer Begrenzung von Mieterhöhungen auf maximal ein Prozent pro Jahr für mindestens 5 Jahre fest. Wir sehen in einer zusätzlichen Verringerung der Gewinnausschüttung an die Stadt das Mittel der Wahl diese Forderung umzusetzen, ohne dass der Handlungsspielraum von GWW/GeWeGe wesentlich eingeengt wird. Es sollte ernsthaft erwogen werden, GWW/GeWeGe nicht – wie vom Aufsichtsrat geplant – weiterhin 1,5 Millionen Euro pro Jahr zu entziehen, sondern ihnen erheblich mehr vom Erwirtschafteten zu lassen.
Sascha Schmidt: „Nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, sondern mit gutem Beispiel voran zu gehen ist das Gebot der Stunde. Die „Nassauischen Heimstätte“ (NH) hat für ihre Wohnungen bereits vor Monaten eine nach Einkommen gestaffelte Mietpreisbremse beschlossen. Das kam nicht von ungefähr – Antrieb für den NH-Beschluss war die zuvor in Frankfurt beschlossene Mietpreisbremse von einem Prozent pro Jahr - und dies für 10 Jahre!“
Hans-Georg Heinscher: „Sollte die Stadtverordnetenversammlung sich aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage sehen, die künftigen Gewinn-Zuwächse der städtischen Wohnungsgesellschaften und damit den Mietenanstieg im notwendigen Umfang zu begrenzen, wäre eine Überführung der Gesellschaften in städtische Eigenbetriebe zu fordern. Die Geschäftspolitik in diesem für die Wohnraumversorgung ganz Wiesbadens so entscheidenden Tätigkeitsbereich könnte damit nachhaltig auf die Gemeinwohlverpflichtung ausgerichtet werden – der aus dem GmbH-Gesetz gerne abgeleitete Zwang, vor allem die wirtschaftlichen Ertragsinteressen der Anteilseigner zu bedienen, würde endlich entfallen.“
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